Stadtteilbeirat Sternschanze
Protokoll der 47. Sitzung am 23.08.2017

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Der Beirat ist mit neun anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern beschlussfähig. Entschuldigt sind: Susanne Beermann, Hans Bohn, Henning Brauer, Dalila Graf, Christoph Kalz und Ray Nher.

Tagesordnung
TOP 1 Anmerkungen zum Protokoll
TOP 2 G20-Gipfel (Gast: Herr Reuter – Revierleiter PK 16)
TOP 3 Anliegen von Gästen und Mitgliedern des Beirats
TOP 4 Verfügungsfonds
TOP 5 Berichte / Termine

TOP 1 Anmerkungen zum Protokoll
Das Protokoll der 46. Sitzung (Juni 2017) wird nachgereicht.

Die beleuchtete Werbung Ecke Eifflerstraße/Schulterblatt wurde abgebaut.

Die Empfehlung zu Toiletten auf der „Piazza“ wurde vom Beirat angenommen (8x Ja, kein Nein).

Die Anträge auf Entschädigung (nur Sachschäden) an den Härtefallfonds G20 können bis zum 31.08.2017 gestellt werden (ursprünglich 31.7.2017).

TOP 2 G20-Gipfel (Gast: Herr Reuter – Revierleiter PK 16)
Der Vorstand des Standpunkt.Schanze e.V. begrüßt als Gast Herrn Reuter. Herr Reuter äußert, er freue sich, an der Sitzung des Stadtteilbeirats teilnehmen zu können und sei bereit, Fragen zu beantworten und Stellung zu beziehen. An der Sondersitzung habe er nicht teilnehmen können, denn so kurz nach dem G20-Gipfel sei die Aufbereitung der Krawalle noch nicht in genügender Weise abgeschlossen gewesen.

Ein Anwohner möchte wissen, wieso die Polizei lediglich versuchte, vom Schulterblatt 1 in das Viertel zu kommen und nicht andere Straßen, wie zum Beispiel die Eifflerstraße, Lerchenstraße oder Schanzenstraße genutzt habe. Herr Reuter entgegnet, dass die Polizei aus unterschiedlichen Richtungen versucht habe, das Schulterblatt zu erreichen. Sie habe immer wieder versucht, Kräfte zu sammeln, so beispielsweise auf dem Neuen Pferdemarkt. Der Zugang zum Schulterblatt sei jedoch — auch nicht durch die Nutzung von Wasserwerfern — möglich gewesen.

Ein Anwohner wundert sich, dass die Zahl der gewaltbereiten Demonstranten von der Regierung und der Polizei intern unterschätzt worden sei. Öffentlich seien vierstellige Zahlen im Gespräch gewesen, da sei es nicht zu verstehen, wieso die Polizei auf letztendlich nur ein paar hundert Randalierer nicht in genügender Weise reagieren konnte. Herr Reuter erklärt, er sei mittlerweile 28 Jahre bei der Polizei, davon 15 Jahre bei der Einsatzpolizei. Eine solche Gewaltbereitschaft habe er bisher jedoch noch nicht erlebt. Auch über die Taktik der Demonstranten, zum Beispiel die Wechselbekleidung, sei er erstaunt und betroffen gewesen.

Ein Anwohner bemängelt, dass die Zahl der Demonstranten, die in nicht rechtmäßigem Rahmen durch die Polizei verletzt worden sei, nicht aufgenommen werde. Ihm selber habe ein Polizist eine Rippe gebrochen. Eine Ärztin der zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Hamburg (UKE) erklärt, dass der Großteil der Demonstranten, welche durch Polizisten verletzt worden seien, aus Angst vor einer Gegenanzeige nicht registriert werden will. Der Vertreter von Mietern helfen Mietern e.V. bestätigt diese Aussage.

Ein Anwohner ist irritiert, dass auch dehydrierte Polizisten in der Statistik als verletzt aufgenommen werden. Sei die Vermeidung solcher Vorfälle nicht Aufgabe des Arbeitgebers? Gleiches gelte für Verletzungen von Polizisten durch von der Polizei eingesetztes Tränengas. Er könne nicht verstehen, wieso die Statistik dann auch politisch genutzt werde. Nach Aussage der Polizeigewerkschaft würde die Polizei ihrer Fürsorgepflicht für die eingesetzten Polizisten nicht in genügender Weise nachkommen. Die Polizisten seien hier durch die Politik verheizt worden.

Eine Anwohnerin berichtet, sie habe fünfmal die Polizei angerufen und dabei das Gefühl gehabt, nicht ernst genommen zu werden. Die Polizei habe sie gebeten, sich „nicht so zu haben“. Es würde immerhin noch nicht bei ihr brennen. Sie solle sich wieder melden, wenn „Chaoten in ihrer Wohnung“ seien. Sie habe die Sternschanze zirka drei Stunden als rechtsfreien Raum erlebt und sich überlegt, wie sie ihre Kinder aus der Wohnung bringen könne. Die Reaktion der Polizei habe sie als unterlassene Hilfeleistung wahrgenommen. Die Sicherheit der Staatsgäste sei wichtiger gewesen als die der Anwohner. Herr Reuter äußert, die Polizei habe alles unternommen, um den Anwohnern zu helfen. Mögliches Fehlverhalten der Polizei sei auch Thema beim Sonderausschuss der rot-grünen Regierungsfraktionen.

Auf die Frage von Herrn Sülberg (Die Grünen) nach den Entscheidungswegen und der zeitlichen Planung der Polizeieinsätze antwortet Herr Reuter, die Einsatzleitung habe gemäß der Auftragstaktik der Polizei gehandelt.

Ein Beiratsmitglied merkt an, dass sich im Schulterblatt anfangs lediglich Gruppen von 5-8 gewaltbereiten Demonstranten gesammelt hätten. Die Polizei sei kaum sichtbar gewesen. Herr Reuter äußert, dass er eine andere Wahrnehmung der Situation habe.

Ein Anwohner bemängelt, dass Absprachen mit der Polizei nicht eingehalten worden seien. Obwohl anders mit der Polizei vereinbart, sei es ihm schon ab Donnerstag nicht mehr erlaubt gewesen, mit seinem Auto zu seiner Wohnung zu fahren.
Auch die Gewaltenteilung sei nicht eingehalten worden. Die Polizei habe deutlich über ihren Auftrag hinaus agiert, Aufgaben der Legislative wahrgenommen und Recht selbst interpretiert.

Ein Mitglied findet, dass das Schanzenviertel „geopfert“ wurde. Er habe den Versuch der Polizei, den gewaltbereiten Demonstranten entgegen zu gehen, nur als halbherzig wahrgenommen. Bei bisherigen Krawallen habe die Polizei immer weitaus entschiedener eingegriffen. Herr Reuter erklärt, ein Ziel sei gewesen, die Anwohner so wenig wie möglich einzuschränken. Da die Anwohner sich so wenig Polizeipräsenz wie möglich gewünscht hätten, sei das Polizeiaufkommen reduziert worden.

Ein Vorstandsmitglied berichtet, dass an der Kreuzung Weidenallee ebenfalls eine REWE-Filiale geplündert worden sei. Auch hier habe die Polizei lange nicht eingegriffen, obwohl es hier keine Berichte von Menschen auf Dächern gab.

Ein Anwohner bedauert, dass eine Entschuldigung der Polizei bei den Anwohnern bisher ausgeblieben sei. Herr Reuter gibt zu bedenken, dass es zu einfach sei, zu behaupten, die Schuld liege überwiegend bei der Polizei.

Ein Anwohner merkt an, dass sich die Wahrnehmung der Bewohner eklatant von der Wahrnehmung der Polizei unterscheide. Die Behauptung der Polizei, es sei kein Durchkommen möglich gewesen, sei falsch. Stattdessen seien die Straßenzugänge überwiegend offen gewesen. Die Polizei habe vielmehr strategisch gehandelt und erst nach dem Ende des Konzerts in der Elbphilharmonie das Schulterblatt geräumt. Das Vertrauen in die Hamburger Regierung und die Bundesregierung sei zutiefst erschüttert worden.

Herr Reuter äußert, die Dramatik während des G20-Gipfels mache ihn betroffen. Allerdings glaube auch er, dass sich die Wahrnehmung der Polizei und der Anwohner unterscheide.

Ein Anwohner stellt die Frage, wie die Polizei im Falle eines Terroranschlags vorgegangen wäre. Auch für solche Situationen müsse die Polizei doch vorbereitet gewesen sein. Schwer nachzuvollziehen sei es vor diesem Hintergrund, dass sich das Sondereinsatzkommando drei Stunden Zeit gelassen habe, bis es eingeschritten sei.

Eine Bewohnerin sagt, dass ihr Vertrauen in die Polizei und die Regierung komplett verloren gegangen sei. Sie fühle sich in diesem Staat nicht mehr sicher und habe Angst, auch bei weiteren Gewalttaten nicht in genügender Weise geschützt zu sein.

Auch der Vorstand wünscht sich Kritikfähigkeit zum eigenen Verhalten bei der Polizei.

Herr Reuter erklärt, er werde die Eindrücke der Sitzung mitnehmen und wolle auch zukünftig mit dem Stadtteilbeirat zusammenarbeiten. Jedoch bitte er, von Schuldzuweisungen abzusehen. Es sei ihm wichtig, dass das Vertrauen der Anwohner wieder aufgebaut werde.

TOP 3 Anliegen von Gästen und Mitgliedern des Beirats
Ein Vertreter des Kilimanschanzo e.V. erbittet aufgrund von zunehmender Dealer-Tätigkeit im FloraPark um eine erhöhte Präsenz der Polizei.

Der Vorstand berichtet über den Stand bei der Suche nach einer Verbesserung der Verkehrsführung an der Kreuzung Juliusstraße/Stresemannstraße. Vor einiger Zeit habe es einen Unfall mit einem LKW und einer Fahrradfahrerin gegeben. Der Vorschlag des Vorstandes des Standpunkt.Schanze e.V. sei, dass die Radfahrer auf einem Radfahrstreifen rechts an den Autos vorbei zu einer Aufstellfläche vor den KFZ fahren. Die Linksabbiegerspur solle stattdessen wegfallen. So würde auch für den entgegenkommenden Radverkehr mehr Platz geschaffen. Inzwischen habe die zentrale Straßenverkehrsbehörde VD 52 zum Vorschlag Stellung genommen. Die Straßenverkehrsbehörde wolle den aktuellen Zustand jedoch belassen, sehe ihn als derzeit unproblematisch und sicher an. Der vorgelegte Vorschlag des Vereins sei aus Sicht der Verkehrsbehörde allerdings lebensgefährlich. Auch Herr Reuter sieht erhebliche Gefahr für die Radfahrer, wenn der Vorschlag umgesetzt werden würde. Bei der nächsten Sitzung soll eine Empfehlung für eine bessere Straßenführung formuliert werden.

Der Vorstand informiert, dass die Brammerfläche nach der Brückensanierung an das städtische Wohnungsunternehmen SAGA verkauft werden soll. Der Landesbetrieb Immobilien und Grundvermögen, das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung und die SAGA bereiten derzeit einen sogenannten Letter of Intent (LOI) vor, der festschreiben solle, was dort gebaut werde. In diesem Schriftstück sollen möglichst viele der ursprünglichen Ideen für die Flächennutzung aufgenommen werden. Herr Sülberg will versuchen, sich zu informieren, in wie weit dieser LOI umgesetzt werde. Der Stadtteilbeirat möchte zur nächsten Sitzung eine Empfehlung vorbereiten und darüber abstimmen.

Der Vorstand informiert, dass Wolf Buchaly und Alexander Gerhardt 2018 nicht mehr für das Amt des Vorstands zur Verfügung stünden. Anfang 2018 wird auf der Jahreshauptversammlung des Stand­punkt.Schanze e.V. der neue Vorstand gewählt. Die Anwesenden werden gebeten, sich zu überlegen, wie sie zur Organisation des Stadtteilbeirates beitragen können.

Der Kilimanschanzo e.V. informiert über möglichen Baulärm, der aufgrund von Renovierungsarbeiten Ende September/Anfang Oktober entstehen könne. Die Umsetzung des Innenausbaus des FloraPark-Bunkers durch die Steg habe begonnen.

TOP 4 Verfügungsfonds
Zwei Anwohner stellen einen Antrag auf Förderung des diesjährigen Straßenfestes in der Augustenpassage aus dem Verfügungsfonds in Höhe von 1.000 Euro. Das Fest soll am 16.09.2017 von 10 Uhr bis 24 Uhr stattfinden. Die Hauptkostenpunkte würden die Bühnen- und die Sanitärtechnik betreffen. Es sei eine Live-Bühne für Musiker geplant sowie eine kleinere Bühne für DJs. Des Weiteren seien Spielprogramme und andere Angebote geplant. Der Stadtteilbeirat stimmt zu, das Augustenpassagenfest 2017 mit 1.000 Euro aus dem Verfügungsfonds zu fördern, unter der Bedingung, dass die Veranstalter wie im letzten Jahr auf die Stromerzeugung durch einen Generator verzichten und stattdessen auf das Hamburger Stromnetz zurückgreifen.

Abstimmungsergebnis:
Ja: 7 Nein: 2 Enthaltungen: —

Ein Gast bittet um einen Zuschuss aus dem Verfügungsfonds für das FUTUR Festival, welches vom 28.-30.09.2017 in Hamburg stattfinden wird. Das Festival widmet sich der Verknüpfung von Live-Performances, politischer Aktionskunst und Film. Der Stadtteilbeirat stimmt zu, das FUTUR Festival 2017 mit 900 Euro aus dem Verfügungsfonds zu fördern.

Abstimmungsergebnis:
Ja: 8 Nein: — Enthaltungen: —

TOP 5 Berichte
Der Vorstand informiert, dass Pflasterschäden, welche beim G20-Gipfel auf dem Schulterblatt entstanden seien, ausgebessert werden sollen. Dazu gab es bereits gemeinsame Besichtigungen mit Mitarbeitern des Bezirksamts.

Der Vorstand berichtet von der außerordentlichen Stadtteilversammlung „St. Pauli Selbermachen“ am 20.07.2017. Thema sei der G20-Gipfel gewesen.
Nach Angaben der Veranstalter haben zirka 1.200 Menschen teilgenommen. In einer teilweise kontroversen Diskussion habe die Rote Flora eine Erklärung zu ihrer Rolle bei den G20-Protesten abgegeben. Andreas Blechschmidt habe sich erneut von den unverantwortlichen Brandstiftungsversuchen in Wohnhäusern und den brennenden Barrikaden, die Menschen in den umliegenden Häusern gefährdet haben, distanziert. Die Verantwortung der Roten Flora für die Eskalation der Proteste habe er zurückgewiesen. Die Rote Flora sei Teil der Proteste gewesen, aber keine Veranstalterin, das Gebäude habe als Infopunkt mit Küche und Sanitätsstation gedient. Bewohner der Schanze schilderten ihre Ängste und kritisierten die erlebten Krawalle. Andere wiederum lehnten militante Aktionsformen nicht per se ab. Immer wieder wurde hervorgehoben, dass die Ereignisse differenziert betrachtet werden müssten. Einigkeit bestand in der Ablehnung von Bränden, die auf Wohnhäuser übergreifen können. Breite Kritik habe die Verengung der Debatte auf die so genannte Krawallnacht erfahren, während über die vielfältigen kreativen Proteste und erfolgreichen Blockaden sowie über die inhaltliche Kritik an G20 kaum gesprochen worden sei. Der offenbar nicht vorhandene Aufklärungswille und die mangelnde Kritikfähigkeit des Senats sei deutlich bemängelt worden. Folgende Erklärung sei auf der Veranstaltung per Akklamation verabschiedet worden:
1. Wir wollten keinen G20 und jetzt wissen wir noch besser, warum.
2. Wir haben unsere eigenen Erfahrungen. Wir lassen uns nicht diktieren, was passiert ist. Wir werden uns weiter austauschen und mitteilen.
3. Rote Flora und alle anderen linken Zentren bleiben!

Der Stadteilbeirat findet die Erklärung gut, möchte jedoch eine eigene Stellungnahme verfassen.

Der Vorstand berichtet davon, dass Andres Dressel (Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion) und Anjes Tjarks (Vorsitzender Bündnis 90/ die Grünen) auf Gesprächstour durch den Stadtteil seien. Am 14.08.2017 waren zwei Beiratsmitglieder bei einem Treffen dabei. Thema sei vor allem die Rote Flora gewesen. Es sei eine öffentliche Diskussion gewünscht.
Einzelne Beiratsmitglieder wurden persönlich angerufen. Der Vorstand des Standpunkt.Schanze e.V. erklärt in diesem Zusammenhang, dass er in keinem Falle persönliche Daten ohne Zustimmung weitergebe. Ausgenommen davon sind die Namen der Beiratsmitglieder ohne weitere Angaben, wie sie bereits im Protokoll der Besetzung des Stadtteilbeirats veröffentlicht wurden.

TOP 5 Termine
13.09.2017 18:00 Uhr nächste Sitzung des WAS-Ausschusses, Technisches Rathaus, Jessenstraße
27.09.2017 19.30 Uhr nächste Beiratssitzung, JesusCenter

Protokoll vom 23.08.2017
Erstellt vom Standpunkt Schanze e.V.

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