Stadtteilbeirat Sternschanze
Protokoll der Sondersitzung am 19.07.2017

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Vor der Diskussion zu den Ereignissen um den G20-Gipfel informiert der Vorstand des Standpunkt.Schanze e.V. kurz über zwei andere Themen.

Der Vorstand informiert über die Sperrung des Lessingtunnels. In der Zeit bis zum 29.08.2017 fielen des­­wegen die S-Bahnen zwischen Altona und Othmarschen, Diebsteich und Holstenstraße aus. Be­trof­­fen seien die Linien S1, S11, S31 und S3. Für die S1 und S3 sei ein Schienenersatzverkehr einge­rich­tet.

Die mobilen Toiletten auf dem Schulterblatt wurden entfernt. In den nächsten Tagen wird der Vorstand einen Entwurf für eine Empfehlung zur erneuten Aufstellung von Toiletten an die Beiratsmitglieder schicken. Diese sollen dann per Mail ihr Votum abgeben.

Nach einer Abstimmung wird entschieden, dass Bild- und Audioaufnahmen während der Sonder­sit­zung nicht zugelassen sind.

Herr Reuter (Revierleiter des Polizeikommissariats 16) lässt sich für die Sondersitzung entschuldigen. Er werde jedoch bei der nächsten Sitzung des Stadtteilbeirats teilnehmen und sei auch bereit, auf­kom­­mende Fragen zu beantworten.

Der Vorstand begrüßt als Gäste Frau Dr. Melzer sowie die zweite Bürgermeisterin Frau Fegebank. Der Vorstand stellt klar, er habe sich weder über den G20-Gipfel noch über die Gewalt während des Gip­­fels gefreut. Vor dem G20-Gipfel habe er deutlich vor zu erwartenden Krawallen gewarnt. Damit so et­was nicht noch einmal passiere, sei die Zusammenarbeit aller Beteiligten wichtig. Aus den Erfah­run­gen müsse gelernt werden.

Die Bezirksamtsleiterin Altona Frau Dr. Melzer berichtet, wie erschüttert sie über die Gewalt­vor­komm­nisse wäh­rend des G20-Gipfels gewesen sei. Sie habe sich gleich am 09.07.2017 mit dem Vorstand des Stadt­punkt.Schanze e.V. zum Austausch getroffen. Die Sternschanze sei ein sehr wichtiger Stadtteil und wichtig für die Stadt Hamburg. Die Gewalt während des G20-Gipfels sei nicht vorhersehbar gewesen.

Hamburgs zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank sei es sehr wichtig gewesen, den heutigen Ter­­min wahrzunehmen. Sie wolle vor allem zuhören.

Der Sitzungsleiter bittet zunächst die Anwesenden aus dem Stadtteil zu berichten, Fragen zu stellen und Kommentare zu geben. Die anwesenden Vertreter von Politik und Verwaltung sollen anschließend gebündelt antworten.

Oliver Hörr, Betreiber des Lokals „Saal II“, berichtet von Glasschäden, die die Geschädigten über ihre Versicherungen abwickeln müssen. Es sei nicht fair, wenn sie für die anfallende Selbstbeteiligung und die Umsatzeinbußen nicht entschädigt werden.

Ein Mitglied des Stadtteilbeirats stellt klar, dass die Anwohner den G20-Gipfel nicht gewollt haben. Sie hätten davor gewarnt. Die Probleme seien absehbar gewesen. Er sei in den Tagen aus Sorge um seine Kinder mit ihnen weggefahren. Bereits am Donnerstag habe es Sperrungen gegeben. Die Polizei wirkte überfordert. Die Geschehnisse seien jedoch komplex, man dürfe nicht vereinfachen.

Ein Gast aus der Marktstraße (Karolinenviertel) betont, dass die Messe in Hamburg der „dümmste Ort der Welt“ gewesen sei, den man für so eine Veranstaltung habe finden können. Sein Vertrauen in die Hamburger Regierung und die Bundesregierung sei zutiefst erschüttert worden. Es gäbe mittlerweile keine Partei mehr, der man vertrauen könne. Hamburg habe es nicht geschafft, sei­­ne Bewohner zu schützen. Besonders erschüttert sei er darüber, dass der Schutz der Staatsgäste vor­­rangig gewesen sei.

Ein Anwohner berichtet, er sei noch nie so glücklich über den Einsatz von Tränengas gewesen, denn er habe Todesangst gehabt. Er frage sich, was passiert, wenn der Staat das Gewaltmonopol aufgibt und die Bürger zum Selbstschutz greifen.

Eine Anwohnerin habe fünfmal die Polizei angerufen und dabei das Gefühl gehabt, nicht ernst ge­nom­­men zu werden. Die Polizei habe sie gebeten, sich „nicht so zu haben“. Es würde immerhin noch nicht bei ihr brennen. Sie solle sich wieder melden, wenn “Chaoten in ihrer Woh­nung“ seien. Sie habe die Sternschanze ca. 3 Stunden als rechtsfreien Raum erlebt und sich überlegt, wie sie ih­re Kinder aus der Wohnung bringen könne.

Ein Beiratsmitglied bestätigt, dass die Polizei aufgefordert hatte, erst anzurufen, wenn „Chaoten im Haus“ seien. Die Feuerwehr kam aufgrund der unsicheren Lage natürlich nicht.

Ein Mitglied des Vorstands des Standpunkt.Schanze e.V. fragt, warum die Polizei im Schulterblatt 1 nicht gleich eingegriffen habe und warum die anderen Zugangsmöglichkeiten zum Schulterblatt nicht genutzt wurden.
Viele Anwesende unterstützen die Frage.

Ein Mitglied des Beirats berichtet, wie er vor seinem Ladengeschäft im Schulterblatt versucht habe, gewaltbereite De­mons­tran­­ten davon abzuhalten, Leuchtraketen in die Häuser zu werfen. Er empfindet, dass das Schanzenviertel „geopfert“ wurde. Er habe mehrere Tage Umsatzeinbußen gehabt und möchte wissen, was die Politik machen will, um Geschädigte zu unterstützen.

Ein Beiratsmitglied betont, dass die Polizei vorher auf einer Sitzung des Stadtteilbeirats auf die Frage, ob man sich verbarrikadieren solle, gesagt habe, man solle nichts machen, die Polizei würde sie schützten. Der Schutz der Gipfelteilnehmer und der Selbstschutz der Polizei habe Vorrang gehabt. Da er nicht wolle, dass sich jemand für ihn opfere, akzeptiere er das. Es stelle sich allerdings die Frage, wie sich die Bürger selbst schützen können.

Ein Anwohner warnt davor, die Gewaltereignisse als einmaliges Ereignis zu sehen. Wenn politisch nicht eingegriffen werde, käme es weiter zu Eskalationen.

Erstaunlich, so eine Anwohnerin, sei, dass vor allem die Schaulustigen festgenommen worden seien, während die Täter sich rasch entfernt hätten.

Ein Vorstandsmitglied berichtet, es habe in der Freitagnacht im Bereich zwischen der Roten Flora und der Brücke mit anderen Anwohnern Barrikaden gelöscht und abgebaut. Zu der Zeit seien keine tausend Autonome in der Gegend gewesen. Die Polizei habe sie trotz vorhandener Wasserwerfer und Hundertschaften nicht unterstützt, als die Anwohner von Randalieren angegriffen wurden.
Es habe auch illegitime Übergriffe der Polizei gegeben. Ein junger Mann sei bei einer Fahrraddemo von einem Polizeibeamten mit ei­nem Faustschlag niedergestreckt worden. Problematisch sei, dass Polizisten dabei immer vermummt und nicht gekennzeichnet seien.

Eine Bewohnerin (seit 25 Jahren) äußert, kein Verständnis dafür zu haben, dass die Polizei so lange nicht eingegriffen ha­be. Dies habe die Gewalt in der Sternschanze erst recht verschärft. Die Sternschanze wäre der Po­li­tik preisgegeben worden. Die Politik habe gänzlich versagt. Das Ganze sehe nach Kalkül aus. Die Randalierer sehe sie als Mischung von jungen Leute mit Frust und planvollen Gewalttätern.

Ein Anwohner der Rosenhofstraße berichtet, in der Nacht auf Sonnabend von der Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken an­ge­griffen worden zu sein. Mit ein paar Nachbarn habe er sich vor seinem Haus befunden, als die Polizei um die Ecke kam und sofort angriff. Die Anwohner hätten gerufen, dass sie Anwohner seien. Die Polizei habe geantwortet, dass sei egal. Er werde Anzeige erstatten. Er sei sauer, dass Olaf Scholz behauptet, es gebe keine Polizeigewalt.
Auch dieser Anwohner berichtet, dass sich die Polizei vor Ort bereits am Donnerstag wenig kommunikativ verhielt und Sperrungen nicht begründete.

Ein Gästin wollte den G20 eigentlich ignorieren. Sie verstehe nicht, warum Wasserwerfer die Feuer nicht löschen konnten. Sie glaube nicht, dass der G20 hier stattfinden musste. Inzwischen solidarisiere sie sich mit der Roten Flora, der man die Schuld zuschiebe.

Eine Anwohnerin berichtet, dass in der Schanzenstraße vor der Polizei Container angezündet wurden. Erst habe die Polizei lange nicht eingegriffen. Später dafür sehr schnell und sehr hart. Die Anwohnerin habe auch „Autonome“ angesprochen. Einige hätten positiv reagiert.

Eine Anwohnerin berichtet, dass am Freitag an der Kreuzung Kampstraße/Schanzenstraße gegen 20 Uhr eine eher entspannte Atmosphäre herrschte. Sie habe auch den Eindruck, dass viele Jugendliche aus anderen Stadtteilen randaliert haben. Die Polizei war nicht zum Schutz da.
In letzter Zeit waren die Ausschreitungen am 1. Mai oder nach dem Schanzenfest eher gering. Die Frage sei, was in Zukunft passiere. Sie möchte wissen, ob es Konzepte gegen den Partymob gebe, der zum Randalieren her komme. Die Putzaktion am Sonntag habe sie auch als nervig empfunden, auch wenn sie gut gemeint war. Sie stellt auch in Frage, dass jede Großveranstaltung hier stattfinden muss.

Eine Anwohnerin aus dem Schulterblatt weist darauf hin, dass es bereits 2010 zu Plünderungen gekommen sei. Warum nutzte die Polizeiführung die Erfahrungen nicht.
Beim Löschen sei sie von „Partyvolk“ angepöbelt worden. Tausende hätten nur geglotzt.

Eine Anwohnerin (seit 1985) sagt, die Polizei sei schlecht eingearbeitet gewesen. Sie selbst habe verbale Auseinandersetzungen mit Randalieren gehabt, ebenso mit Wildpinklern und Polizisten. Alle hätten ihr gesagt, sie sei selbst Schuld, wenn sie in der Schanze wohne. Sie fragt, warum sich alle hier eingeladen fühlten, sich daneben zu benehmen und wünscht sich andere Signale in alle Richtungen.

Ein Vorstandsmitglied berichtet, dass an der Kreuzung Weidenallee ebenfalls ein REWE geplündert wurde. Auch hier habe die Polizei nicht eingegriffen, obwohl es hier keine Berichte von Menschen auf Dächern gab.

Ein Gast fühlt sich politisch belogen. St.Pauli werde dem Eventbetrieb geopfert. Das sei jedes Wochenende zu erleben. Für die Ereignisse um den G20 sei Olaf Scholz verantwortlich. Man könne von Glück reden, dass niemand umgekommen sei.

Der Vertreter von Mieter-helfen-Mietern weist darauf hin, dass die Demonstrationen und die Krawalle nicht vermischt werden dürften.
Er äußert Unverständnis, dass am Sonnabend ca. 5000 Leute am Neuen Pferdemarkt von der Straße geräumt wurden und wieder mal ins Schulterblatt geschoben wurde.
Nicht alles war der „Schwarze Block“. Die Gruppen von Autonomen waren eher klein. Bei den Krawallen im Viertel seien 70% Jungendliche gewesen, die auf dicke Hose machten. Man müsse sich damit auseinandersetzen, sonst gebe es die Probleme auch anderswo.

Ein Gast berichtet, dass die Shell-Tankstelle in der Max-Brauer-Allee von Anwohnern geschützt wurde. Die Polizei griff kaum ein. Merkel und Scholz seien Schuld. Frau Fegebank müsse aufpassen, was an ihr hängen bleibt.
Die Rote Flora habe auch das Recht, Fehler zu machen. Er sehe aber deren Sprecher als erledigt an. Er wünsche sich ein Statement der Grünen, dass die Flora nicht zur Disposition stehe.

Ein Gast berichtet, dass die Wasserwerfer am Neuen Pferdemarkt auf die Leute geschossen hätten, jedoch die Feuer nicht gelöscht hätten. Als Anwohner habe man Angst gehabt, dass Tränengas in die Wohnungen dringen könnte.
Ortwin Runde habe damals Deeskalation gekonnt. Die Grünen ließen sich derzeit mit verheizen.

Ein Gästin berichtet, sie habe in der Klinik Patienten nicht nach Hause schicken können, da Krankentransporte nicht durchgelassen wurden. Sie habe gehört, in Sicherheitszone der Elbphilharmonie soll es Entschädigungen geben.

Das Jesus Center habe sich, so berichtet eine Mitarbeiterin, im Vorfeld überlegt, mit zwei anderen Kirchengemeinden aus der Stern­schanze während der Krawalle Gebetsteams zu bilden und das Café als Rückzugsraum anzubieten.
Als die HASPA brannte hätten sie die Häuser des JesusCenters neben der HASPA selbst evakuiert. Da noch Licht brannte, hätten Demosanitäter die Tür aufgebrochen, da sie noch Menschen in Gefahr vermuteten. Die Mitarbeiterin möchte wissen, wer die Reparatur bezahlt. Ein Wasserwerfer habe die HASPA gelöscht.

Frau Fegebank erklärt, dass es ihr wichtig sei mit den Menschen im Viertel ins Gespräch zu kommen. Sie sei erschüttert, über die Geschehnisse und bitte um Entschuldigung. Sie betont, dass die Berichte der Bewohner/innen und Ladenbetreiber/innen schwer wie­gen. Sie seien so komplex, dass sie bei dieser Sitzung keine Antworten darauf geben könne. Mit ei­nem Sonderausschuss wollen die rot-grünen Regierungsfraktionen die Krawalle zum G20-Gipfel mit Ru­he, Respekt und Ehrlichkeit aufarbeiten. Ein zentrales Thema werden die Täter und die Tä­ter­struk­tu­ren sein. Darüber hinaus werde es natürlich auch um die Frage der Einsatztaktik und Strategie der Po­lizei gehen. Es sei ein Prozess, bei dem nichts unter den Tisch fallen solle. Es sollten alle Mei­nun­gen gehört und eine gemeinsame Sicht auf die Dinge entwickelt werden, die momentan nicht vorhanden sei. Gemeinsam müsse eine Bewertung mit entsprechenden Schlussfolgerungen statt­finden. Für den Ersatz der Schäden sei ein Fonds eingerichtet worden. Dafür sei die örtliche Po­li­zei­dienststelle der erste Ansprechpartner. Das Gespräch mit dem Stadtteil solle aufrecht erhalten werden, dazu würden alle gebraucht, auch die Rote Flora.

Ein Beiratsmitglied betont noch einmal die nicht bezifferbaren Schäden durch das Erlebte, insbesondere bei Kindern.

Frau Dr. Melzer bittet Informationen zu sammeln. Es gebe eine große Hilfsbereitschaft. Ihr sei der Stadtteil Sternschanze wichtig. Das Bezirksamt will gemeinsam mit dem Stadtteil überlegen, was zu tun sei.

Der Vorstand versichert, dass die Fragen der Anwohner/innen und Ladenbetreiber/innen ins Proto­koll aufgenommen und an die entsprechenden Gremien weitergetragen würden.

Farid Müller (Fraktionsmitglied im Hamburger Senat für Bündnis 90/Die Grünen) erklärt, dass die Stadt die Kos­ten für mögliche Schäden übernehmen werde. Die Abwicklung müsse jedoch über die je­wei­li­gen Versicherungen der Ladenbetreiber/innen lau­fen, welche dann die Kosten von der Stadt ersetzt be­kämen. Im Versichertenverhältnis solle es da­durch keine Verschlechterung geben.

Ein Vorstandsmitglied erklärt, dass sich Gewerbebetreiber an die Handelskammer wenden sollten. Die Umsatzeinbußen werde vermutlich niemand tragen. Möglicherweise werde es zusätzliche einkaufsoffene Sonntage geben.

Eine Gastronomin erklärt, ihr Geschäft sei am Sonntag sowieso geöffnet.

Frau Dobusch (SPD-Bürgerschaftsfraktion) weißt auf ein Merkblatt des Senats zur Entschädigung hin.

Auf Nachfrage zum Nichteingreifen der Polizei am 7.6. erklärt Frau Fegebank, dass sie dazu noch nichts sagen könne.

Die Anwesenden Politiker und Vertreter der Verwaltung betonen, dass das heutige Gespräch erst ein Anfang sei und man die Fragen notiert habe und gemeinsam in die jeweiligen Gremien tragen werde. Der Dialog darüber solle weiter und breiter geführt werden. Man habe den Stadtteil nicht aufgegeben.
Die anwesenden Anwohner und Gewerbetreibenden widersprechen, das Viertel sei aufgegeben worden.

Farid Müller erklärt, dass die offenen Fragen im Sonderausschuss der Bürgerschaft geklärt werden sollten. Vielleicht gebe es dort auch die Möglichkeit, den Stadtteilbeirat anzuhören.

Dr. Matthias Bartke (Mitglied des Deutschen Bundestages, SPD) betont, dass es auch bezüglich der Po­li­zei eine intensive Aufarbeitung geben müsse. Kein Gewerbetreiber dürfe aufgrund von erfahrenen Schä­den Nachteile haben. Nicht zu unterschätzen seien auch die Traumata, die bei diesen Kra­wal­len entstanden seien. Er habe die Polizeitaktik zum Teil auch nicht verstanden, der Stadtteil sei aber nicht bewusst geopfert worden.
Die anwesenden Anwohner und Gewerbetreibenden widersprechen dem nachdrücklich.

Gregor Werner (Mitglied der Altonaer Bezirksversammlung, SPD) betont den guten Draht zwischen Kom­mu­nal­politik und Stadtteilbeirat Er erklärt, dass er in seinem SPD-Ortsverein ähnliche Schilderungen gehört habe und derzeit selbst mehr Fragen als Antworten habe. Es sei wichtig, dass Entwicklungen, welche zu den Prob­le­men geführt hät­­ten, falls möglich, verändert würden.

Ein Gästin fragt, ob es bei der Polizei juristische Konsequenzen gebe? Sie habe auf etliche Notrufe nicht reagiert.

Ein anderer Gast äußert Respekt dafür, dass sich Frau Dr. Melzer und Frau Fegebank dem Gespräch stellen, dies sei aber noch zu wenig, um den Vertrauensverlust auszugleichen. Es sei Aufgabe der Politik den Polizeieinsatz zu untersuchen. Dabei müssten die Grünen auch den Dissens ausloten. Olaf Scholz komme im Moment mit seiner Politik weitestgehend durch.

Eine Anwohnerin aus der Susannenstraße erwähnt den ständigen Lärmpegel während des G20-Gip­fels, insbesondere durch Hubschrauber. Dies habe zu einer tief sitzenden Verunsicherung der Anwohner geführt. Auch durch andere Veranstaltungen sei die Sternschanze einem andauernden Lärm­pegel ausgesetzt, der nur schwer auszuhalten sei. Hervorzuheben seien nicht die kaputten Fen­sterscheiben, sondern die Traumata, die die Anwohner erlebt hätten.

Ein Anwohner kann nicht verstehen, dass es neben dem G20-Gipfel auch um die Gewährleistung ei­nes Rahmenprogramms gegangen sei – zu Lasten der Anwohner. Dies habe dazu geführt, dass Bürgerrechte gebrochen wurden. Die Politik habe, auch wenn sie das nie zugeben werde, mit die­ser Gewalt gerechnet.

Ein Beiratsmitglied möchte „nicht nur auf eine Seite hauen“. Man müsse auch mit und über die Rote Flora reden. Im Vorfeld des G20 habe es zweifelhafte Plakataktionen („Spare Our Shop“) und im Internet Aufrufe gegeben, die auf ein Einkalkulieren von Gewalt schließen ließen.

Ein anders Mitglied sieht einen Anteil an der Entwicklung in der Wahrnehmung als Eventviertel. Die Förderung der Eventkultur müsse hinterfragt werden.

Anwesende fragen nach der persönlichen Verantwortung von Frau Fegebank sowie anderen Mitgliedern der SPD und der Grünen.

Ein Gast erklärt, die Polizei habe einen rechtsfreien Raum geschaffen.

Ein Anwohner betont, dass der Sonderausschuss ein Unterausschuss der Bürgerschaft sei. Deshalb er­gebe sich die Frage, wie unabhängig dieser Sonderausschuss sei. Ganz nach dem Sprichwort: Die Wöl­fe untersuchen, wieso die Schafherde dezimiert wurde.

Ein Gast bittet um eine Auflistung, wie viele Polizisten zu welcher Zeit an welchem Ort gewesen seien. Der HVV hätte kostenlos sein müssen, um das Verkehrschaos zu verhindern. Der Gast glaubt nicht an eine ehrliche Aufarbeitung. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss sei notwendig.

Eine Anwesende fragt, wie angesichts eines Schadens von ca. 5 Millionen Euro allein bei REWE die in Aussicht gestellten 10 Millionen Euro reichen sollen.

Ein Beiratsmitglied fordert, dass es beim Dialog keine Tabus geben dürfe. Dem stehe Olaf Scholz‘ Vorwurf der „Denunziation“ entgegen. Die Gewaltenteilung sei kaum wahrgenommen worden. Rechtsverstöße müssten untersucht werden.

Frau Dobusch betont, dass der Sonderausschuss öffentlich sei. Es habe niemand vor, etwas unter den Tisch zu kehren. Es solle keine Schnellschüsse geben.
Die Anwesenden protestieren und verweisen auf die Aussagen Olaf Scholz.

Ein Beiratsmitglied berichtet vom Eigenschutz der Anwohner und befürchtet die Entstehung von Bürgerwehren.

Ein Gast nimmt Bezug auf die Kritik an der Roten Flora. Diese sei wie sonst z.B. am 1. Mai geschlossen gewesen und habe nur als „Lazarett“ gedient. Der FC St. Pauli und verschiedene Kirchen hätten auch Leute aufgenommen. An diese würden jetzt aber keine harten Forderungen gestellt.
Er sei zwar teilweise genervt von Konzerten in der Flora, frage sich aber, was wäre, wenn die Flora weg wäre und verweist auf die Gentrifizierung im Viertel.

Ein Anwohner fragt, wie Olaf Scholz dazu kommt, der Polizei eine Generalamnestie zu geben. Er vergleicht den ersten Bürgermeister und dessen Aussage, die Polizei und die Re­gie­rung hätten keine Fehler gemacht, mit einem Architekten, der sagt „wir haben keine Fehler ge­macht“, obwohl die Brücke eingestürzt sei.

Ein weiterer Anwohner befürchteten, dass der Verlust des Vertrauens in die Polizei dazu führen könne, dass An­wohner sich bei erneuten Ausschreitungen zu einer Bür­gerwehr zusammenschließen oder sich unerwünschte Gruppen als Wächter vor ihre Türen stellen könnten.

Eine Anwohnerin vermisst ein Statement der roten Flora. Sie solle zum Gespräch eingeladen werden. Sie gehöre zum Viertel. Das sei wie eine Familie, in der es mal gut, aber eben auch mal nicht gut laufe.

Der Vorstand des Vereins Standpunkt.Schanze erklärt, dass an ein Gespräch mit der Roten Flora durchaus gedacht wurde, jedoch schon am 20.7. eine Stadtteilversammlung im Ballsaal des FC St. Pauli unter Beteiligung der Roten Flora stattfinde.

Ein Mitglied des Beirats erklärt, dass die Rote Flora sich durchaus in einer internen Diskussion befände. Und sich mit der Veranstaltung am 20.7. der Diskussion mit den Anwohnern stellen wolle.

Ein Anwohner berichtet, dass vor dem G20-Gipfel mit zehntausenden Gewaltbereiten ge­rech­net worden sei. Es seien erheblich weniger gewesen. Deswegen sei nicht zu verstehen, wieso die Po­lizei überfordert gewesen sein sollte.

Ein Mitglied des Beirats sieht die Rote Flora ebenfalls in einer internen Diskussion, vermisst aber die Abgrenzung zur Gewalt. Deshalb habe sie Leute an ihrer Seite, die sie vielleicht gar nicht wolle.

Eine Anwesende äußert die Vermutung, dass erwartet werde, dass die Anwohner sagen: „Die Flora ist böse“.

Die zweite Hamburger Bürgermeisterin äußert, dass die Möglichkeit einer Bürgerwehr besorgnis­er­re­gend sei. Der Sonderausschuss müsse dies auf seine Tagesordnung setzen. Fehler der Regierung und der Po­li­zei müssten aufgedeckt werden. Dabei dürfe es keine Tabus geben. Alle Parteien und Interessensgruppen müssten miteinbezogen werden. Dies gelte auch für die Rote Flora. Un­ver­ständ­­nis habe sie für „normale“ Bürger, die sich den gewaltbereiten Demonstranten anschließen, nur um einmal „die Sau rauslassen zu können“. Da stelle sie sich die Frage, wie die sogenannte „Bildungskinder“ sich so hätten radikalisieren können. Diese Themen müssten im Sonderausschuss behandelt werden. Da­zu wür­den auch Soziologen und Psychologen eingeladen werden. Sie sei nicht für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, da seine Einsetzung zu lange dauern würde, da man sich derzeit nicht auf einen Auftrag einigen könne. Während die Linke ausschließlich die Po­li­zei­gewalt im Blick habe, wolle die AfD ausschließlich die Gewalt der linken Demonstranten un­ter­su­chen. Sie schließe einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss aber nicht aus.
Sie selber finde das G20-Format richtig, man brauche den Austausch in Zeiten eines erstarkenden Nationalismus. Sie habe den Standort des G20-Gipfels unterstützt. Dennoch wisse sie, dass dies so nicht mehr stattfinden könne. Das Sicherheitsrisiko sei nicht beherrschbar. Das Treffen müsse kleiner werden.

Der Großteil der Anwesenden wirft ein, er hätte das bereits vorher gesagt.

Die Bezirksamtsleiterin Frau Dr. Melzer dankt für die Bereitschaft der Anwohner/innen und La­den­be­treiber/innen über ihre Erfahrungen zu berichten. Der Stadtteilbeirat könne sich überlegen, in wel­cher Weise ein Forum geschaffen werden könne, um das Gespräch fortführen zu können. Auch für sie wäre eine Bürgerwehr undenkbar.

Der Vorstand lädt zur nächsten Sitzung des Stadtteilbeirats Sternschanze ein, welche am 23.08.2017 um 19:30 Uhr im JesusCenter stattfinden wird.

Protokoll vom 13.08.2017
Erstellt vom Standpunkt Schanze e.V.

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