Der Stadtteilbeirat sieht momentan gravierende Unterschiede zwischen der Wahrnehmung der Ereignisse im Schanzenviertel durch seine Mitglieder und der Darstellung durch Polizei und Senat. Vereinfachungen des komplexen Geschehens, pauschale Schuldzuweisungen, Aktionismus und eine Heroisierung der Polizei, wie sie unter anderem der Senat derzeit betreibt, fĂŒhren zu keiner wirklichen Aufarbeitung, sind undemokratisch und â nicht zuletzt durch den Vertrauensverlust in die Polizei â gefĂ€hrlich.
Im Einzelnen stellt der Stadtteilbeirat fest:
Der Stadtteilbeirat Sternschanze hat in mehreren Sitzungen vor dem G20-Gipfel in GesprÀchen mit Vertretern der Politik und der Polizei auf die besondere Gefahrenlage im Schanzenviertel hingewiesen (siehe Protokolle der Sitzungen vom 26.04.2017 und 24.05.2017 unter www.standpunktschanze.de).
Insbesondere wurde auf das höhere Gewaltpotential bei möglichen Auseinandersetzungen (auch gegenĂŒber der OSZE-Veranstaltung 2016) auf Grund des internationalen Kontextes des G20-Gipfels hingewiesen. Ebenso wurde dargelegt, dass in den letzten Jahren eine zunehmende Gewaltbereitschaft eher unpolitischer und hĂ€ufig alkoholisierter Besucher und Schaulustiger bei den im Viertel stattfindenden politischen Auseinandersetzungen wahrgenommen wurde.
Konkret bat der Stadtteilbeirat um deeskalierende MaĂnahmen der Polizei vor und
wĂ€hrend des G20-Gipfels, um das Gewaltpotential bereits im Vorwege und auch wĂ€hrend des G20-Gipfels möglichst zu reduzieren. Es wurde um möglichst kurze Kommunikationswege zwischen Anwohnern und der Polizei gebeten. AuĂerdem wurde besonders auf den nötigen Schutz von Baustellen, BaugerĂŒsten etc. hingewiesen, da das dort liegende Material auch als Wurfmaterial oder fĂŒr den Barrikadenbau zweckentfremdet werden könnte. Seitens der Politik (Bezirksamtsleiterin Fau Dr. Melzer, Bezirksamtsleiter Herr DroĂmann) und der Polizei (Herr Reuter â PK16, Herr Leetz â PK14) wurden die Hinweise aufgenommen. Herr DroĂmann versprach, die Hinweise des Stadtteilbeirates gesammelt an die verantwortlichen Stellen weiterzugeben.
In der RĂŒckbetrachtung stellt der Stadtteilbeirat fest, dass
– Vereinbarungen und Aussagen zum Schutz der Anwohner und zum ungehinderten Zutritt der Anwohner in ihr Viertel nicht eingehalten wurden.
– Ein Eingreifen der Polizei zum Schutz der Anwohner auch auf telefonischen Notruf hin ĂŒber mehreren Stunden nicht erfolgte.
– Deeskalierende MaĂnahmen seitens der Polizei in den Tagen vor dem G20-Gipfel und wĂ€hrend des G20-Gipfels nicht wahrgenommen werden konnten.
In Berichten der Anwohner nach dem G20-Gipfel wurde groĂes UnverstĂ€ndnis darĂŒber geĂ€uĂert, dass die Polizei keine sichtbaren Versuche unternommen hat, das Schulterblatt am 07.07.2017 abends von den anderen ZugĂ€ngen aus zu betreten, als der Zugang ĂŒber den Neuen Pferdemarkt fĂŒr die Polizei zu riskant erschien.
Aus Sicht der berichtenden Anwohner stellte sich die Lage auĂerhalb des StraĂenabschnittes Schulterblatt zwischen Neuen Pferdemarkt und SusannenstraĂe nicht so dar, dass ein Eingreifen der Polizei nicht möglich gewesen wĂ€re oder nicht in vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit stattgefunden hĂ€tte.
WĂ€hrend sich die Polizei am 07.07.2017 gemÀà eigener Aussage ĂŒber mehrere Stunden fĂŒrchtete, das Schanzenviertel zu betreten, verhinderten Anwohner durch ihr Eingreifen Schlimmeres.
Der Stadtteilbeirat Sternschanze begrĂŒĂt die GesprĂ€chsangebote der Politik und der Polizei, er wĂŒnscht sich aber zusĂ€tzlich eine unabhĂ€ngige parteiĂŒbergreifende Untersuchung der Vorkommnisse rund um den G20-Gipfel, am Besten in Form eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Gleichzeitig fordert der Stadtteilbeirat, dass â egal, ob in einem Untersuchungsausschuss oder einer anderen Form der Aufarbeitung â wie von der zweiten BĂŒrgermeisterin, Frau Fegebank, versprochen, auch die Anwohner angehört werden. Die Erfahrungen, die die Menschen im Viertel gemacht haben, mĂŒssen Teil dieser Aufarbeitung im Sonderausschuss sein.
Auch eine neutrale wissenschaftliche Aufarbeitung der Konflikte, um die HintergrĂŒnde der Ausschreitungen zu verstehen und daraus Handlungsmöglichkeiten fĂŒr die Zukunft zu entwickeln, hĂ€lt der Stadtteilbeirat fĂŒr wĂŒnschenswert.
Der Stadtteilbeirat Sternschanze bemĂ€ngelt den derzeitigen Umgang mit den geschĂ€digten Anwohnern und Gewerbetreibenden und fordert eine unbĂŒrokratische EntschĂ€digung aller GeschĂ€digten. Die Versprechen der Politik bis hoch zur Bundeskanzlerin, dass niemand auf seinen SchĂ€den sitzen bleibt, mĂŒssen endlich eingelöst werden.
Der Stadtteilbeirat beobachtet derzeit populistische Tendenzen, aufgrund der Ereignisse beim G20-Gipfel eine SchlieĂung der Roten Flora zu fordern. Die Rote Flora gehört zum Schanzenviertel und hat aus Sicht des Stadtteilbeirates fĂŒr den Stadtteil einen wichtigen Stellenwert. Die Rote Flora fĂŒr die gewalttĂ€tigen Auseinandersetzungen rund um den G20-Gipfel verantwortlich zu machen, steht aus Sicht des Stadtteilbeirats einem wirklichen VerstĂ€ndnis des Geschehens wĂ€hrend des G20-Gipfels entgegen.
Allgemein stellt der Stadtteilbeirat fest, dass â wie auf den Beiratssitzungen als BefĂŒrchtung geĂ€uĂert â vor und wĂ€hrend des G20-Gipfels die im Grundgesetz verankerte Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative nicht mehr deutlich wahrgenommen werden konnte.
Eine Aufarbeitung eventueller GesetzesverstöĂe auch durch Politik und/oder Polizei im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel ist aus Sicht des Stadtteilbeirates genauso unerlĂ€sslich wie die Verfolgung von GesetzesverstöĂen bei den gewalttĂ€tigen Ausschreitungen.
Hamburg, im September 2017
Die Mitglieder des Stadtteilbeirates Sternschanze
Nach allem, was ich in verschiedenen medien gesehen und gelesen habe, kann ich dem bericht des stadtteilbeirates nur zustimmen. Es ist mir völlig unverstÀndlich, wieso die polizei die sachlage so lange eskalieren liess.
Hauptsache die Schanze ist wieder sauber. Ironie off.
https://machtelite.wordpress.com/2017/08/06/hamburg-raeumt-auf-die-unpolitische-buergerschaftliche-initiative-im-einklang-mit-politik-und-polizei/
Schöne ErklĂ€rung, die Ihr da abgegeben habt. Ein Stadtteilbeirat, der aneckt ist genau das Richtige, was wir in Sachen „Aufarbeitung“ des famosen G20-Gipfels brauchen, der aber auch seinen Platz im Netzwerk Hamburger StadtteilbeirĂ€te hĂ€tte…
Micha, Einwohnerverein St. Georg
Ahoi Micha,
wir sind doch dabei im Netzwerk! Nur personell nicht immer so aufgestellt, dass wir bei euren Netzwerktreffen dabei sein können…
Liebe GrĂŒĂe,
Ray
Stadtteilbeirat Sternschanze
Danke fĂŒr die klaren Worte, die sicherlich vielen Anwohnern aus der Seele sprechen. Die derzeitige politische und Juristische Aufarbeitung lĂ€sst uns alle an der Gleichheit vor dem Gesetz und dem funktionierenden Rechtsstaat stark zweifeln. Der viel beklagte schwindende Respekt vor AmtstrĂ€gern und Polizei ist hausgemacht, wenn an einer RICHTIGEN Aufarbeitung kein politisches Interesse besteht.
Danke fĂŒr diese ErklĂ€rung. Ganz gensu so ist es.